Rechtliche Grundlagen für das Handwerk: Vom Handwerker zum Hersteller

Von  Jens-Uwe Heuer-James

Ein Handwerker kann dazu verpflichtet werden, eine Technische Dokumentation zu erstellen. Zum Beispiel, wenn er für seinen Kunden aus verschiedenen technischen Bauteilen eine eigenständige Lösung für die Elektrik oder die Heizung eines Hauses entwickelt. Es greifen verschiedene gesetzliche Regelungen, unter anderem das Geräte- und Produktsicherheitsgesetz. Der Handwerker ist auf bestem Weg, sich zum Hersteller zu entwickeln, der sich bei der Technischen Dokumentation neben den gesetzlichen auch auf die Anforderungen seines Kunden einstellen muss.

Das klassische Bild des Handwerkers macht den Eindruck, als sei er ausschließlich Anwender industriell gefertigter Technik. Nach den Anweisungen und Verarbeitungshinweisen des Herstellers setzt er Bauteile zusammen, um daraus eine individuelle Lösungen für seinen Kunden zu gestalten. Dieses Bild entspricht nicht mehr den Tatsachen. Das Handwerk versteht sich heute vielmehr als umfassender Dienstleister. Aus einer Vielzahl an technischen Möglichkeiten entwickelt der Handwerker die Lösung, die für seinen Kunden am besten geeignet ist. Dieser Ansatz hat rechtliche Folgen und führt dazu, dass für das Handwerk die Technische Dokumentation an Bedeutung gewinnt.

Mehr Verantwortung für das Handwerk

Mit dem Ansatz umfassender Dienstleistung ist verbunden, dass der Handwerker bereits in der Planungsphase Verantwortung für das endgültige Produkt übernimmt. Durch die Auswahl unter­schiedlicher Produkte und deren Kombinationen beeinflusst er maßgeblich die Funktionsfähigkeit und Sicherheit der Installation, die der Kunde später nutzt. Die individuelle Anpassung industriell gefertigter Vorprodukte stellt einen weiteren Verantwortungsbereich des Handwerks dar. Der gesamte Ablauf lässt sich mit dem einer industriellen Fertigung vergleichen. Es ist nicht abwegig, den Handwerker mit dem Hersteller einer Sondermaschine zu vergleichen.

Die Verantwortung des Handwerkers als Hersteller im Sinne des Produkthaftungsgesetzes steht außer Frage. Allerdings sind sich die Handwerksunternehmen noch nicht darüber bewusst, dass ein Produktnutzer instruiert werden muss. Viele Unternehmen sind der Meinung, es würde ausreichen, dem Kunden lediglich die Informationen des Herstellers zu überlassen – ein Irrtum, und zwar aus mehreren Gründen.

Instruktionspflicht des Handwerkers

Zunächst gilt es zu beachten, dass die Funktionsfähigkeit und die Sicherheit eines Produktes vom konkreten Einsatzzweck beeinflusst werden. Durch die Vielzahl möglicher Anwendungen ergibt sich die Situation, dass die Produktinformation des Herstellers nicht alle denkbaren Varianten konkret abbilden. Das betrifft auch die Wechselwirkung mit anderen Produkten. Gerade hieraus ergeben sich Probleme an den Schnittstellen, speziell wenn es sich um übergreifende Gewerke handelt.

Außerdem muss das Handwerk wissen, dass die Personen, die eine Installation nutzen, meist technische Laien sind. Der eine oder andere Leser wird selbst schon die Erfahrung gemacht haben, dass moderne Haustechnik den unerfahrenen Nutzer überfordern kann, schließlich verändert sich auch in diesem Bereich die Technik. Es besteht also Erklärungsbedarf, den der Handwerker zu erfüllen hat. Einschränkend muss gesagt werden, dass dies für die individuelle Anwendungssituation gilt, in der die Technische Dokumentation eines Herstellers nicht ausreicht. Die Auslöser, um sich mit der Technischen Dokumentation auseinanderzusetzen, sind die rechtlichen Anforderungen.

Vorgaben aus dem Vertragsrecht

Der Vertrag zwischen Endkunde und Handwerker verpflichtet den Handwerker dazu, eine für den Endkunden nutzbare Leistung zu erbringen. Im Gegensatz zum Kaufvertrag, bei dem die Lieferung einer Sache Gegenstand der Vertragspflichten ist, wird im Werkvertrag der Erfolg geschuldet. Am Ende der handwerklichen Leistung hat daher die in der konkreten Anwendungssituation nutzbare Installation zu stehen. Dazu gehört, den Kunden im Vorfeld und bei der späteren Nutzung zu informieren.

Es existieren in diesem Bereich keine allgemein verbindlichen Regelungen, die Details vorschreiben. In technischen Normen und in Rahmenverträgen der Industrie und des Handwerks findet sich aber die Aussage, dass nutzbare Informationen zur Verfügung zu stellen sind. Die Rechtsprechung liefert zudem die Verpflichtung, im Vorfeld der Auftragsvergabe den Endkunden zu beraten, insbesondere was die Eignung technischer Lösungen für die Einbausituation anbetrifft.

Dabei hat der Handwerker die Informationen zur Verfügung zu stellen, die ihm der Hersteller überlassen hat. Diese Informationen sind allerdings nicht immer ausreichend. Zwei Aspekte sind zu beachten:

  1. Herstellerinformationen richten sich nur an den Handwerker und setzen meist Fachkenntnisse voraus. Diese Kenntnisse können vom Endnutzer nicht erwartet werden, so dass er viele Informationen nicht versteht. Die Aufgabe des Handwerkers ist daher, die Fachinformationen für den Laien umzusetzen.
  2. Die Nutzung in der Anwendungssituation: Durch die Kombination verschiedener Produkte unterschiedlicher Hersteller entsteht zunächst eine Art Informationsmasse. Für eine bestimmte Anwendungssituation und die passenden Bedienschritte muss der Handwerker die richtigen Informationen herausfiltern. Weiterhin muss er die Informationen in angemessener Form anbieten. Dies kann durch eine Einweisung in den Gebrauch erfolgen. Besser ist aber eine schriftliche Dokumentation, die spätere Beweisfragen beantwortet. Für die Dokumentation bilden die Herstellerinformationen eine Grundlage, sie berücksichtigen aber nicht die konkrete Anwendung.

Rechte des Kunden

Kommt der Handwerker seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nach, so stehen dem Endkunden Mängelgewährleistungsrechte zur Verfügung – auch bei der Technischen Dokumentation. Es muss nicht erst zu Sach- oder Körperschäden kommen, damit der Handwerker einen Abzug beim Werklohn akzeptieren muss, wenn er nicht in der Lage ist, eine angemessene Technische Dokumentation zu erstellen. Ebenso muss der Handwerker für Folgeschäden durch vorhersehbaren Fehlgebrauch einstehen.

Das Produkthaftungsrecht

Wie gesagt, der Handwerker übernimmt zunehmend Verantwortung, mit der Konsequenz, dass er in die rechtliche Stellung eines Herstellers nach Produkthaftungsrecht „einrückt“. Die Rechtsprechung ist sich einig, dass grundsätzlich auch Handwerker als Hersteller nach § 823 BGB oder nach Produkthaftungsgesetz gelten. Durch die Installation von Produkten, das heißt die feste Verbindung mit einem Gebäude, geht die Produkteigenschaft nicht verloren, und das Produkthaftungsrecht kann angewendet werden.

Beim Produkthaftungsrecht geht es um die sichere Anwendung der Installation. Dies betrifft den Gebrauch als solchen, zum Beispiel das Vornehmen einer Einstellung, und Fragen zur Wartung. Der Nutzer muss alle Informationen erhalten, um Sach- und Körperschäden zu vermeiden. Die Situation des Handwerkers entspricht der eines Herstellers, so dass mit Blick auf die Produkthaftung die Standards für das Erstellen einer Technischen Dokumentation gelten.

Der Handwerker hat zu beachten, dass die Instruktionsverantwortung mit dem vorhersehbaren Fehlgebrauch zusammenhängt. In der Praxis führt dies sicherlich zu Schwierigkeiten, da der Handwerker aus seiner Perspektive von einem „vernünftigen“ Gebrauch ausgehen wird. Tatsächlich muss er sich jedoch in die Lage eines Endnutzers versetzen und berücksichtigen, dass dieser etwas falsch handhabt. Außerdem gilt der Grundsatz „Konstruktion vor Instruktion“. Sach- und Körperschäden zu vermeiden, ist vorrangig die Aufgabe sachgerechter Planung und Ausführung.

Das Produktsicherheitsrecht

Neben dem Produkthaftungsrecht gilt auch das Produktsicherheitsrecht. Das GPSG wird bei Produkten angewendet, die Bestandteil einer festen Installation werden. Es trifft zwar zu, dass zunächst die Verantwortung des Produkt­herstellers besteht, insbesondere bei der CE-Kennzeichnung. Es sind jedoch Konstellationen denkbar, in denen der Handwerker selbst zum Hersteller wird, weil aus einer Vielzahl von Komponenten ein Produkt entsteht und in den Verkehr gebracht wird. Dies ist beispielsweise bei so genannten RLT-Geräten der Fall – raumlufttechnische Geräte. Die Richtlinie VDI 3808, Blatt 1 betont dies, indem sie die Situation beschreibt, in der ein Handwerker durch Ein- oder auch Zusammenbau eine vollständige Maschine herstellt. Damit muss er alle herstellerseitigen Verpflichtungen aus der Maschinenrichtlinie erfüllen.

Handwerk auf neuen Wegen

Das Handwerk beschreitet neue Wege und steht vor einer veränderten rechtlichen Situation. Die Schwelle vom Handwerker zum Hersteller wird überschritten – mit Folgen: Der Handwerker muss sich mit der Technischen Dokumentation auseinandersetzen. Gründe dafür sind das Produkthaftungsrecht und das Produktsicherheitsrecht, aber auch kommerzielle Gesichtspunkte. Mit einer mangelhaften Technischen Dokumentation hat der Kunde ein vertragsrechtliches Mittel in der Hand, um die Vergütung des Handwerkers zu mindern oder sonstige Gewährleistungsansprüche geltend zu machen. Der Handwerker muss daher vernünftig aufbereitete Informationen für den Endnutzer zur Verfügung stellen. Vernünftig heißt, ein technischer Laie muss die Informationen vollständig verstehen.

Dienstleistern für Technische Dokumentation bietet sich ein neues Tätigkeitsfeld. Die Handwerksbetriebe werden häufig nicht in der Lage sein, aus eigenen personellen Ressourcen ihre rechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen. Hier können Dienstleister weiterhelfen, damit es letztlich gelingt, auch im Handwerk den rechtlichen Anforderungen an die Technische Dokumentation gerecht zu werden.

Rechtsanwalt Jens-Uwe Heuer-James: Sein Aufgabenschwerpunkt liegt im Haftungsrecht, speziell Produkt- und Umwelthaftung, internationales Haftungsrecht sowie Vertriebs- und Versicherungsrecht. Für die tekom betreut er den Rechtsdienst und hält Vorträge auf den tekom-Tagungen sowie bei den Regionalgruppen.